Wir waren Kinder und es war Krieg
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Edition Schrittmacher Band 32
Wir waren Kinder und es war Krieg
Erzählungen von Gerd Forster
138 Seiten, 12,4 x 19,2 cm, Broschur
ISBN: 978-3-89801-232-4
Preis: 9,90 EUR
Der Autor
Gerd Forster, geboren in Ludwigshafen, lebt in
Eulenbis, Landkreis Kaiserslautern, und zeitweise
in Berlin. Studium der Musik und der Germanistik
in Heidelberg, Gymnasiallehrer bis 1999. Mitbegründer
der Autorengruppe Kaiserslautern.
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Inhalt
Die meisten dieser Erzählungen beruhen auf Erlebnissen und Wahrnehmungen des Autors während der letzten Phase des 2. Weltkriegs, wobei er als Junge von 9 - 10 Jahren die reignisse eher spannend als gefährlich empfunden hat. Besonders deutlich wird das in »Kriegskind« und in »Der Doktor«. Der Text »Erzfeindliebe« handelt von einer Frau aus der Normandie, die erst auf dem Totenbett der Mutter von ihr erfährt, ass sie die Tochter eines deutschen Besatzungssoldaten ist. Den Anstoß zu dieser weitgehend fiktiven Erzählung gab der Bericht einer französischen Freundin des Autors. In »Hannah« geht es um ein jüdisches Mädchen in Berlin, das nach der Verhaftung seiner Eltern von einem Bekannten der Familie bis zum Kriegsende versteckt wird. Diese besondere Situation führt im Laufe der Zeit zu einer immer intensiveren, allerdings auch problematischen Beziehung.
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Leseprobe
Kriegskind
Der kleine, schon schlottrige Lastwagen ist mit Standlicht in
der klaren Januarnacht unterwegs. Gerhard und seine Mutter sitzen
ziemlich beengt neben dem Fahrer. Auf der Ladefläche die
wenigen Sachen, die noch aus dem brennenden Haus zu retten
waren. Einen Teil der Wohnzimmereinrichtung hatten sie, als
die regelmäßigen Bombardierungen Ludwigshafens begannen,
vorsorglich zu Verwandten in die Nordpfalz transportieren lassen,
wo Mutters jüngste Schwester Elsbeth mit Sohn Reiner lebt
und unterstützt von einem Knecht und wechselnden Gefangenen
die Landwirtschaft betreibt, seit ihr Mann an der Ostfront
ist. Der kam früher ab und zu in Urlaub, zuletzt nicht mehr.
Vor der Frontscheibe ein von Scheinwerfern abgetasteter Himmel.
»Worms«, sagt der Mann, »ich fahre besser über Grünstadt.«
Der Wagen durchquert später das abgedunkelte Monsheim,
folgt dem Lauf der Pfrimm und biegt schließlich in Albisheim
nach Norden ab. Von jetzt an muss die Mutter dem Fahrer den
Weg zeigen. Auf der Höhe hinter dem Dorf Stetten am Steinernen
Kreuz geht’s steil nach oben an dem Gerhard vertrauten
Wasserwerk vorbei. Der Boden der unbefestigten Straße ist hart
gefroren und schüttelt das Auto durch. Als die Mutter das Ortsschild
ihres Heimatdorfes erkennt, beginnt sie zu weinen. In der
Hauptstraße zeigt sie dem Fahrer ihr Elternhaus.
Gerhard springt aus dem Wagen und zieht mehrmals am
Eisengriff der Glocke, während die andern ebenfalls aussteigen.
Nach wenigen Minuten beugt sich Tante Elsbeth aus einem der
Fenster im oberen Stock.
»Ach, du liewer Gott«, stößt sie hervor, »was issen bassiert?«
»Wir sind ausgebombt worden!«, ruft ihre Schwester hinauf,
und auf die Ladefläche des Wagens zeigend: »Das ist alles, was
wir noch haben. Gustav ist in Oggersheim geblieben.«
Und die Tante: »Kummen rinn! Ich hun en Bu kriet! Aacheblick,
ich mach eich uff!«
Im roten Morgenrock über ihrem Nachthemd kommt sie
herunter, schließt auf, umarmt ihre Schwester, streicht Ger8
hard über den Kopf und öffnet das große Tor, damit der Mann
die Sachen abladen und in den Hof tragen kann. Danach will
er sich gleich wieder auf den Rückweg machen. Die Tante holt
ihm noch schnell einen Ring Leberwurst. Gerhard und seine
Mutter gehen schon in die Wohnung, um sich am Küchenherd
aufzuwärmen, denn beide sind ohne Mantel. Die Mutter hatte
ihren nicht mehr aus dem brennenden Haus holen können, und
Gerhard trägt nur die Jacke, worin er auf dem Klassenausflug
unterwegs gewesen war.
Das Baby liegt in der Wiege neben dem Bett seiner Mutter und
schläft. Es ist am Neujahrstag zur Welt gekommen. Gerhard soll
sich im Nachbarzimmer neben seinen Cousin Reiner ins Doppelbett
legen, sagt die Tante, wenn’s ihm zu kalt sei, bringe sie
ihm einen warmen Backstein aus dem Küchenherd.
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