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Die Edition Schrittmacher wird herausgegeben von: Michael Dillinger, Sigfrid Gauch, Arne Houben, Gabriele Korn-Steinmetz.

Im Jahr 2004 ins Leben gerufen, hat sich die »Edition Schrittmacher« zu einer ansehnlichen, kleinen Bibliothek guter Literatur in Rheinland-Pfalz entwickelt. Sie bildet eine Fundgrube für Literatur-Interessierte und spiegelt als Sammlung die aktuelle Literaturszene wieder.

Inzwischen wird in der Edition Schrittmacher jedes Jahr ein Band herausgegeben und vom Rhein-Mosel-Verlag als Beitrag zur Literaturförderung finanziert.

 


An den Wassern
Edition Schrittmacher Band 22
An den Wassern
Kurzgeschichten •
Petra Urban (Hrsg.)
12,4 x 19,2 cm, Broschur
ISBN: 978-3-89801-222-5
Preis: 10,00 EUR


Die Autorinnen und Autoren:
Susanne Beckenkamp, Alexander Broicher, Carla Capellmann, Manfred Dechert, Volkmar Döring, Christa Estenfeld, Dietmar Gaumann, Heinz G. Hahs, Christel Hartmann, Myriam Keil, Franziska Kurtz, Roswitha-Lucia Linde, Wilfried von Manstein, Andreas Noga, Walter Passian, Hans Tönjes Redenius, Nicole Schmidt, Stefan Schrahe, Corinna Waffender, Anne Ziegler, Katharina von Zwehl.

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Inhalt:

Der rote Faden dieser Anthologie ist ausnahmsweise blau. Blau wie Wasser. Und er ist eigentlich auch kein Faden, eher ein fließendes Band, Wasserworte, alles andere als farblos.
Anlässlich der Literaturtage in Bingen 2009 haben sich die Autoren dieses Buches zu neuen Ufern geschrieben. Sie sind dem Herzschlag des Wassers gefolgt – auf ureigenen Wortwegen in Richtung »Süßwasser«, »Salzwasser«, »Hochwasser« … So verschieden die Wasser, so sprudelnd die Geschichten!


Leseprobe

An den Wassern

Andreas Noga

Am Wasser gebaut
Meine Stadt ist am Wasser gebaut. Sie liegt zwischen zwei
Flüssen, die sich treffen. Nach einem langen Weg finden sie
hier zu- und ineinander, vermischen hier ihre Wasser, werden
eins. In dieser Stadt zwischen den Flüssen wurde ich geboren.
Das ist schon eine Weile her. Seitdem hat sie sich verändert.
Sie wurde größer, wuchs über die Felder, die es früher
an den Ufern gab. Auch ich bin gewachsen, ein Stück in den
Himmel hinein, wie eine Ähre. Mit jedem Atemzug habe ich
Stadtluft erobert, mich Schritt für Schritt mit Straßen und Gassen
bekannt gemacht. Als ich älter wurde, haben sich meine
Wege gedehnt. Über das Wohnviertel hinaus, bis hin zu den
Flüssen. Diese werden manchmal neugierig und verlassen ihr
Bett. Sie stehen auf, ganz langsam, wie nach einem langen
Schlaf, übersteigen Mauern und Böschungen. Dahinter haben
sie es leicht, sich in den Straßen zu verschütten. Dann werden
aus Holzbrettern Stege gebaut, über die Menschen gehen,
und Boote schwimmen durch die Gassen. Aus den Fenstern
schauen alte Menschen, warten auf Brot, Butter und Milch.
Körbe an Seilen schwingen vor Fassaden. Wenn sich die Flüsse
in meiner Stadt umsehen, haben sie es nicht leicht, wieder
in ihr Bett zu finden. Sie kennen die Wege und Plätze nicht
so wie ich. Sie sind seltener dort. Ihre Erinnerung reicht dafür
aber viel weiter zurück als meine. So weit, dass sie verwirrt
sind, denn meine Stadt hat sich für sie noch mehr verändert
als für mich. Die Flüsse erinnern eine Zeit, in der es das Labyrinth
aus Häuserschluchten noch nicht gab. Damals konnten
sie sich den Weg leicht merken. Heute dauert es einige Tage,
bis das Wasser sich orientiert, woher es kam, wohin es gehört:
Es gehört ins Bett, in das es fällt. Wenn Straßen und Keller
getrocknet sind, halten die Flüsse als Wiedergutmachung ihre
Ufer hin. Von dort sieht man weiße und schwarze Schiffe auf
dem Wasser schwimmen. Auf den weißen winken Menschen.
Die schwarzen schleppen sich müde dahin. Sie bewegen sich
langsam. So langsam, dass man selbst langsam wird. Das flatterige
Blut entspannt. Langsam kommen die Schiffe an, langsam
gleiten sie vorüber, und langsam werden sie kleiner und
verschwinden hinter der Biegung. Auf dem Wasser hat man
Zeit. Am Ufer nur dann, wenn man sie mitbringt. Ich bringe
gern welche mit. Sobald ich etwas Zeit gespart habe, die ich
ausgeben kann, setze ich mich auf eine Bank, packe eine gute
Stunde aus und lasse die Gedanken mit der Strömung treiben.
Flussabwärts liegt die Zukunft. Dort würde ich gerne am Wasser
bauen, weit hinter den steilen Weinhängen, wo Meere sich
weiten. Die Täler der beiden Flüsse sind eng. Man stößt sich
schnell den Blick an einer Felskante wund, wenn man zu den
Wolken abschweift. Das Meer hat keine schroffen Kanten. Es ist
weich und flach bis zum Horizont. Es begegnet mir mit Weite,
damit auch ich weit werde. Dort soll mein Haus stehen, mit
hohen Räumen, hohen Fenstern, hohen Bäumen. Im Garten
werde ich leicht, wenn ich Wellen oder Blätter rauschen höre
und das geräumige Wasser sehe.