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Die Edition Schrittmacher wird herausgegeben von: Michael Dillinger, Sigfrid Gauch, Arne Houben, Gabriele Korn-Steinmetz.


Linda Haselwander
Edition Schrittmacher Band 3
Linda Haselwander
Roman von Irina Wittmer
296 Seiten, 12,4 x 19,2 cm, Broschur
ISBN: 3-89801-203-4
Preis: 12,90 EUR

www.linda-haselwander.de


Die Autorin
Irina Wittmer, wurde 1953 in Karlsruhe geboren und lebt in Mainz. Sie schreibt Erzählungen, Romane und Hörspiele und Features. "Eine Wintergeschichte für H." wurde vom Förderkreis Deutscher Schriftsteller in Rheinland-Pfalz als "Buch des Jahres" ausgezeichnet. Sie erhielt den "Martha-Saalfeld-Förderpreis des Landes Rheinland-Pfalz". Ihre Hörstücke werden von vielen Rundfunkanstalten gesendet.

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Inhalt
Der Roman erzählt die Entwicklung eines schwärmerischen Mädchens vom Land zu einer schönen und starken Frau. Linda ist glücklich verheiratet. Trotzdem denkt sie an ihre Jugendliebe, den Pianisten Malte Olson. Sie kann alles ertragen, nur die Vorstellung nicht, ihn nie wiederzusehen.
Die Geschichte einer eigensinnigen Liebe vor dem Hintergrund historischer und kultureller Ereignisse des zwanzigsten Jahrhunderts.

»Beim Essen an Heiligabend sagte Linda ihren Eltern, daß Franz Jude sei und daß sie ihn heiraten werde.«

Das Werk der Autorin setzt sich mit der gesellschaftlichen Situation der Frau auseinander und ist beeinflusst von einer intensiven Beschäftigung mit jüdischer Geschichte und Kultur. Wesentliche Motive sind auch "Lust an Verwandlung und Sehnsucht nach zeitlosem Kunstraum". (Josef Zierden
, Literaturlexikon Rheinland-Pfalz)


Leseprobe
In dieser Szene ist Linda vierzehn Jahre alt. Es ist der Sommer nach ihrer Konfirmation. Zusammen mit Betty, der treuen Bernhardiner Hündin, geht sie zum alten Schulhaus.

Linda schüttelte ihren Schirm aus, lehnte ihn an die Hauswand und ging vorsichtig hinein. Durch das Treppenhaus tönte Klavierspiel von oben herunter. Oft hatte sich Linda danach gesehnt, Malte einmal spielen zu hören. Sie blieb eine Weile still stehen und lauschte, bevor sie zaghaft an der Tür rechts klopfte, hinter der sie den Klassensaal wußte, den die Olsons als Wohnküche benutzten.
Linda wollte zu Frau Olson sagen, guten Tag Frau Olson, ich bin Linda Haselwander und würde gerne Caren besuchen, diesen Kuchen schickt Ihnen meine Mutter mit den besten Grüßen.
Aber glücklicherweise war wohl niemand da. Mächtig und streng tönte die Musik. Es war eine Fuge. Linda spürte die Nähe ihres Gottes. Sie stellte den Korb mit dem Kuchen ab und setzte sich auf die Treppe hin. Der Regen wurde so stark, daß Tropfen durch die halboffene Tür herein auf die Platten spritzten. Betty lag ergeben da. Als die Musik aufhörte, fürchtete Linda einen Moment lang, jemand würde herunterkommen und sie fragen, was sie hier mache. Sie war schon zur Flucht halb aufgesprungen, da begann der erste, der langsame Satz aus der Mondscheinsonate. Quasi una fantasia, Linda besaß Schallplatten mit Beethoven-Sonaten, sie wußte, daß Malte nun mindestens fünf Minuten lang spielen würde und daß ihr genug Zeit bliebe, unbemerkt zu Caren hinauf in das Zimmer zu gehen, das früher Fräulein Jadows Wohnzimmer gewesen war. Aber sie setzte sich wieder auf die Treppe hin.
Was Malte nun hervorbrachte, war für Linda keine Musik, sondern ein Zauber, der sie in einen erregten, schwerelosen Zustand versetzte. Als er die letzten Töne spielte, stellte sie den Korb vor die Küchentür und ging benommen durch den Regen davon. Betty folgte ihr widerwillig. Spätestens von diesem Tag an dachte Linda immer an Malte. Sie hatte ihre Bestimmung bekommen.
Im Juni, zum fünfzehnten Geburtstag, schenkte ihr die Großmutter hundert Mark. Linda ging damit nach der Schule in das Musikgeschäft am Marktplatz und suchte sich eine neue Platte mit der Mondscheinsonate aus, denn ihre alte war abgenutzt und knisterte schrecklich. Früher hatte sie von Fräulein Jadow, die immer großzügig gewesen war, Schallplatten bekommen, so daß sie schon eine ganze Sammlung besaß. Außer der Mondscheinsonate kaufte sie noch drei Singles mit Popsongs und eine weitere LP mit Chansons von Adamo, für den Caren so sehr schwärmte. Dann ging sie nebenan in das Papiergeschäft und ließ sich Tagebücher zeigen, aber keines gefiel ihr. Sie waren alle lächerlich dünn und hatten solche Schlüsselchen dabei. Endlich entschied sie sich für eine Art Gästebuch, es war das dickste und teuerste Buch im Geschäft, mit blanken, weichen Seiten. Durch den roten Ledereinband wirkte es festlich. Es kostete vierzig Mark. In die Mitte der ersten Seite schrieb sie mit geschwungenen Buchstaben Für Malte. Sie schloß den kostbaren Schatz in der Truhe ein, auf der ihr Plattenspieler stand.